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Ganztagsschulen – ganztägig lernen

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Die Landeselterninitiative für Bildung hat die Landesregierung immer wieder aufgefordert, Bildung und Erziehung in den Vordergrund zu rücken, statt Versorgung und Betreuung.

Analyse

Im Saarland existierten bis zum Jahr 2010 nur drei Grundschulen und eine Gesamtschule (sowie als besondere Schule das deutsch-luxemburgische Schengen-Lyzeum) als echte Ganztagsschulen, bei  301 allgemeinbildenden Schulen (ohne berufliche Schulen) insgesamt. Obwohl das Land 50 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm der Bundesregierung „Zukunft, Bildung und Betreuung (IZBB)“ für einen Ausbau der Ganztagsschulen verfügbar hatte, ist keine einzige echte Ganztagsschule mehr entstanden, sondern wurde das Geld für Versorgung und Betreuung an Schulen verbraucht. Das damalige CDU-geführte Bildungsministerium nannte dies (und das heutige nennt dies immer noch) ‚Freiwillige Ganztagsschule’. Ein Mogelbegriff, eine Mogelpackung: Es fehlt die konzeptionelle Verzahnung von Vor- und Nachmittag, es mangelt an pädagogischem Fachpersonal, die gemeinsame Lernzeit ist nicht erhöht und der Unterricht nicht besser rhythmisiert.
 
Im Schuljahr 2011/12 richtete die CDU/GRÜNE/FDP-Koalitionsregierung (Bildungsminister Kessler, DIE GRÜNEN) - zurückzuführen auch auf den öffentlichen Druck - erstmals seit 20 Jahren wieder neue echte Ganztagsschulen im Saarland ein: es kamen drei hinzu. In der Regierungszeit der CDU/SPD-Koalition (Bildungsminister Commerçon, SPD) wurden 10 weitere eingerichtet, unterstützt durch ein Investitionsprogramm mit rd. 8,3 Mio Euro. Im Schuljahr 2017/2018 kommt eine weitere Grundschule als Ganztagsschule hinzu.

Die CDU/SPD-Regierungskoalition der Jahre 2012 bis 2017 hatte sich - unter starkem Einfluss der SPD - in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, in ihren Regierungsjahren das Angebot an echten Ganztagsschulen um insgesamt weitere 25 auszubauen und dabei – wegen der gestiegenen Nachfrage nach Ganztagsbetreuung in frühkindlichen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen – den Schwerpunkt auf den Grundschulbereich zu legen. Dies haben wir auch als Erfolg aller gewertet, die sich für eine bessere schulische Bildung der Kinder und Jugendlichen eingesetzt haben und einsetzen.

In CDU/SPD-Koalitionsvertrag für 2017-2022 steht dann aber nur noch: "Der Ausbau der Freiwilligen Ganztagsschule wurde in den letzten Jahren stetig vorangetrieben. Dem gestiegenen Bedarf wurde durch die Bildung zusätzlicher Betreuungsgruppen Rechnung getragen. Gleichzeitig genießen auch die Angebote im gebundenen Ganztagsunterricht eine steigende Nachfrage bei den Eltern. Am weiteren Ausbau beider Angebote halten wir fest. Der Schwerpunkt liegt dabei weiterhin im Grundschulbereich, um den Übergang zwischen ganztägigen Betreuungsangeboten von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule zu erleichtern."

Zum Schuljahr 2018/2019 gibt es mittlerweile 31 echte Ganztagsschulen (12 Gemeinschaftsschulen, 10 Grundschulen) und 9 Schulen mit Ganztagsklassen (1 Grundschule, 5 Gemeinschaftsschulen, 3 Gymnasien). Von einer flächendeckenden Versorgung gerade im ländlichen Bereich und von einer echten Wahlfreiheit, die die Koalition immer wieder betont, ist das Land noch ein gutes Stück entfernt.

 

Zum Wert echter Ganztagsschulen

Die PISA-Untersuchungen haben nämlich klare Anhaltspunkte erbracht, dass ein flächendeckendes Angebot an echten Ganztagsschulen, das im Übrigen die meisten Länder in der EU und der OECD besitzen, zu höherem Leistungsniveau führt und eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Kinder individuelle Leistungsunterschiede ausgleichen sowie ein schlechtes außerschulisches Lernumfeld überwinden können. Echte Ganztagsschulen sind deshalb auch ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit. In ihnen haben Lehrer mehr Zeit und Raum, ihre Schul- und Unterrichtsgestaltung an den Lernvoraussetzungen und Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler zu orientieren und deren individuelle Entwicklung zu fördern.Dabei geht es uns nicht um die bloße Ausdehnung des (heute geläufigen) Unterrichts von fünf auf acht Stunden, sondern um verändertes Lernen. Um die Wandelung der Schule als Anstalt konzentrierter Belehrung in eine Schule als geordneten Lebens- und Erfahrungsraum. Lernen kann dort zur „Vorfreude auf sich selbst werden“, ist besser rhythmisiert, die gemeinsame „Lernzeit“ wird höher.

Bund und Länder hatten 1999 das „Forum Bildung“ eingesetzt, um Qualität und Zukunftsfähigkeit des deutschen Bildungssystems sicherzustellen. Unter dem gemeinsamen Vorsitz der damaligen Bundesbildungsministerin und des Wissenschaftsministers Bayerns haben Bildungs- und Wissenschaftsminister sowie Vertreter der Sozialpartner, Wissenschaft, Kirchen, Auszubildenden und Studierenden Empfehlungen zur Bildungsreform erarbeitet. Die Position des Forums Bildung:„...Ganztagsschulen helfen, bessere zeitliche Bedingungen für eine individuelle Förderung aller Begabungen zu schaffen... Ganztagsangebote an allen Schulformen können unter methodischen, erzieherischen sowie zeitlich-organisatorischen Aspekten erheblich zur notwendigen Qualitätsverbesserung der schulischen Bildung beitragen, sowohl zur Vermeidung von Benachteiligungen wie für die Förderung von Begabungen. Voraussetzungen sind ein klares pädagogisches Konzept sowie eine entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte und der Schulleitung. Ganztagsschulen benötigen zusätzlich zu den Lehrenden kompetentes Personal u.a. zur Förderung der Kreativität, praktischer und sozialer Arbeit außerhalb von Unterricht. Ganztagsschulen sind darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer.“

Seit 2005 wird mit der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG) ein länderübergreifendes Forschungsprogramm zur Entwicklung von Ganztagsschulen und -angeboten gefördert. Über das Forschungsprojekt und seine Ergebnisse informiert eine eigene Internetseite: www.projekt-steg.de.

Fazit der StEG-Teilstudie über die Jahre 2012-2015:

„Aus pädagogischer Sicht sind die neuerlichen Belege für die Wirksamkeit guter Ganztagsangebote auf Sozialverhalten, Motivation und Selbstkonzept hoch relevant. Sie zeigen einmal mehr, dass Ganztagsschulen für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen Wichtiges leisten.

Auch Schulnoten können durch Teilnahme am Ganztag verbessert werden, wie auch schon die StEG-Längsschnittstudie 2005 bis 2009 gezeigt hatte. In der neuen Studie erreichen Jugendliche im Realschulbildungsgang am Ende ihrer Schullaufbahn bessere Noten, wenn sie viele Jahre Ganztagsangebote genutzt haben oder ein leistungsbezogenes Nutzungsprofil aufweisen, also verstärkt fachbezogene Angebote genutzt haben. Interessanterweise hat auch ein musischer oder sozialer Nutzungsschwerpunkt positive Effekte auf die Schulnoten. Schulnoten spiegeln – anders als Testwerte – nicht nur einzelne kognitive Fähigkeiten, sondern auch Motivation, Engagement und Verhalten, und sie steuern letztlich den Bildungsweg. Daher passen die Befunde zur psychosozialen Förderung an Ganztagsschulen und zu den Effekten auf Schulnoten zusammen: Gute Ganztagsangebote fördern Sozialverhalten, Motivation, Selbstkonzept und Schulerfolg.

Zusätzlich zu den Schulnoten wurden innerhalb der StEG-Studien zum ersten Mal Testleistungen erfasst. Vor und nach dem Besuch einschlägiger Ganztagsangebote wurden die Lesefähigkeit sowie im Grundschulbereich auch die naturwissenschaftliche Kompetenz erhoben und mit der Kompetenzentwicklung von Mitschülerinnen und Mitschülern verglichen. Dabei ließ sich jedoch keine Wirkung der Angebote nachweisen – weder generell noch bei hoher Qualität oder bei intensiver Teilnahme. Zu diesem unbefriedigenden Befund können verschiedene Faktoren beigetragen haben: geringe Teilnahmequoten und somit niedrige Fallzahlen für die Prüfung, variierende Teilnehmergruppen, nicht lernförderliche Angebotskonzepte, zu kurze Erhebungszeiträume. Dennoch muss man realistisch festhalten: Der Besuch von Ganztagsangeboten – auch wenn sie Kompetenzförderung anstreben – reicht nicht aus, um innerhalb eines oder zweier Halbjahre fachliche Kompetenzen messbar zu steigern. Um diesen Anspruch einzulösen, bedarf es weiterer Anstrengungen in der pädagogischen Gestaltung des Ganztags.“


Das Institut Infratest dimap hat im Auftrag der Bertelsmann Stiftung 2015 bundesweit über 4300 Eltern von schulpflichtigen Kindern im Alter von sechs bis 16 Jahren zu echten Ganztagsschulen befragt.

Einzelne Ergebnisse der Umfrage:

  • Die individuellen Förderangebote bewerten 70 Prozent der Eltern von Kindern im gebundenen Ganztag positiv (offener Ganztag: 63 Prozent).
  • Dementsprechend sind im gebundenen Ganztag mehr Eltern (58 Prozent) mit der gezielten Förderung ihrer Kinder zufrieden als bei offenen Angeboten (51 Prozent).
  • 66 Prozent der Eltern von Schülern an Ganztagsschulen bewerten die Angebote zur individuellen Förderung ihrer Kinder positiv, bei Eltern von Halbtagsschülern sind es 54 Prozent.
  • 63 Prozent der Eltern von Kindern an Ganztagsschulen sind der Ansicht, dass die Lehrkräfte mit unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen umgehen können (Halbtag: 49 Prozent der Eltern).
  • Die Möglichkeiten ihres Kindes, in seinem eigenen Tempo zu lernen, bewerten 66 Prozent der Ganztagseltern positiv (Halbtag: 55 Prozent).
  • 77 Prozent der Eltern bewerten den sozialen Zusammenhalt in der Klasse ihrer Kinder an Ganztagsschulen sehr gut oder gut (Halbtag: 71 Prozent).
  • 30 Prozent der befragten Eltern von Halbtagsschülern würden ihr Kind heute auf eine Ganztagsschule schicken, wenn sie nochmal entscheiden könnten.
  • Zugleich sagen immer noch 32 Prozent der Eltern von Halbtagsschülern, in ihrer Nähe gebe es keine Ganztagsschule.